Jahr:2020
Fördersumme:300000
Ort:Überlingen
Förderbereich:Natur- und Umweltschutz

WWF Deutschland

Aufwind für den Waldrapp 2021-2022

Das Federkleid am Kopf ist aufgestellt und schimmert rötlich-schwarz: Ein bisschen sieht der Waldrapp aus wie ein 'gefiederter Punk'. Allein seine Optik macht ihn zu einem besonderen Vogel – und die konsequente Wilderei hat den seltenen Zugvogel ausgerottet. Freilebend gibt es ihn nicht mehr.

Dieses Projekt in Überlingen ist der weltweit erste Versuch, den Waldrapp wieder langfristig als Zugvogel anzusiedeln. Zusammen mit dem Waldrappteam ist der WWF einer der Partner dieses Projekts, das auch von der Europäischen Union im Rahmen des Förderprogramms "LIFE" unterstützt wird. Ein Gespräch mit Moritz Klose vom WWF und Dr. Johannes Fritz vom Waldrappteam.

Was macht den Waldrapp neben seinem Aussehen zu einem besonderen Vogel?
Moritz Klose: Der Waldrapp ist ein Vogel von herber Schönheit und exotischer Faszination. Sein Verhalten erscheint vordergründig teils arglos und naiv – beinahe prädestiniert für das Aussterben. Aber tatsächlich zeigen die Vögel eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

In den vergangenen Jahrhunderten stand der Waldrapp immer wieder vor der Ausrottung. Warum ist er ein begehrtes Ziel für Jäger und Wilderer?
Dr. Johannes Fritz: Vor mehr als 2.000 Jahren verschwand der Waldrapp im alten Ägypten, vor 400 Jahren in Europa und im letzten Jahrhundert fast im gesamten übrigen Verbreitungsgebiet. Immer und überall war es primär eine Ausrottung durch den Menschen. Vermutlich steht das in Zusammenhang mit seiner naturgemäß geringen Scheu, in Verbindung mit der Präferenz für die vom Menschen gerodeten und bewirtschafteten Wiesen und Weiden als reichhaltige Nahrungsgebiete. Und natürlich hat das schon von Konrad Gessner im 16 Jhdt. beschriebene wohlschmeckende Fleisch und weiche Gebein mit zur Bejagung beigetragen.

Was war der ausschlaggebende Moment für Ihr persönliches Engagement zur Rettung dieses Vogels?
Dr. Johannes Fritz: Vorrangig war es für mich schlicht die Tatsache, dass diese Vogelart möglicherweise eine zweite Chance in Europa bekommen könnte. Das ist außerordentlich, denn für den Großteil der vom Ausserben bedrohten bzw. schon ausgerotteten Tierarten wird es aus verschiedenen Gründen keine zweite Chance geben. Es ist aus meiner Sicht eine gesellschaftliche Verpflichtung die Artenvielfalt zu erhalten oder - wie im Falle des Waldrapps in Europa – sogar wieder zu vergrößern, wo immer das möglich ist.

Moritz Klose: Ich freue mich sehr, dass WWF und Postcode Lotterie gemeinsam dieses großartige Projekt unterstützten. Wir hören ständig vom weltweiten Artensterben und können direkt vor unserer Haustür etwas dagegen tun, in dem wir das Überleben eines der seltensten Vögel der Welt sichern.

Wie lebt der Waldrapp? Moritz Klose: Als Zugvogel ist der Waldrapp ein Vagabund, der einen Großteil seines Lebens am Weg ist, innerhalb des großen Areals zwischen seinem Brutgebiet im Norden und dem Wintergebiet im Süden. Er ist zudem sehr sozial, brütet, überwintert und migriert in Gesellschaft, wobei er bei Ermangelung von Artgenossen durchaus auch zwischen ebenfalls schwarzen Rabenvögeln Geborgenheit und Sicherheit findet.

Gibt es verhaltensbiologische Besonderheiten? Dr. Johannes Fritz: Wenn man den Waldrapp besser kennen lernt, zeigt er eine Vielfalt von Eigentümlichkeiten in seinem Verhalten, wie etwa die vielen Nuancen des "Grüßens" mit dem Schnabel und des zughörigen kehligen Chrupp-Lautes. Aber im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes am eindrücklichsten ist für mich das starke soziale Band, das sich zwischen den Jungvögeln und den menschlichen Ersatzmüttern bildet und eine unglaubliche Vertrautheit zur Folge hat.

Wie drückt sich das aus?
Dr. Johannes Fritz: Am deutlichsten wird das, wenn man auf 2.800 Metern über die Gipfel der Alpen fliegt und 30 junge Waldrappe dem Fluggerät folgen – wo immer es sie hinführt. Es ist dieses soziale Band, das die Vögel an die Ziehmutter im Fluggerät bindet und sie daran hindert, ihren eigenen Weg zu suchen. Aber zugegeben, auch bei Waldrappen ist manchmal die Neugierde stärker als der durch dieses Band bedingte Gehorsam.

Was konnten Sie dank des Engagements der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den Schutz des Waldrapps bewirken?
Moritz Klose: Durch das Auslaufen einer europäischen Förderung und die Auswirkungen der Pandemie ist das Projekt in eine ziemlich kritische Situation gekommen. Die Förderung ist Hilfe zur genau richtigen Zeit, damit ist die Handaufzucht und menschengeführte Migration einer weiteren Waldrapp-Generation gesichert.

Was sind die bisherigen Erfolge des Wiederansiedlungsprojekts?
Dr. Johannes Fritz: Inzwischen leben aufgrund des Projekts etwa 150 Waldrappe in freier Wildbahn, aufgeteilt auf vier Brutkolonien. Und seit 2012 brüten wieder Waldrappe in freier Wildbahn, im vergangenen Jahr hatten wir 27 Jungvögel.

Wie stehen die Chancen, dass sich der Bestand des Waldrapps erholt und er wieder in Europa dauerhaft heimisch wird? Moritz Klose: Wir haben mit einer Population von rund 150 Vögeln bereits viel erreicht. Aber wir haben auch eine große Verantwortung, denn die Population ist noch nicht selbständig überlebensfähig. Dazu müssen es mehr als 350 Tiere sein. Das zeigen Modellierungen auf der Basis unserer bisherigen Daten. Also müssen wir momentan noch weitere Tiere auswildern und die Verluste durch Wilderei und Stromschlag weiter reduzieren. Die Modellierungen zeigen aber auch, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Überlebensraten und die Reproduktionsraten der Population sind schon jetzt im Vergleich sehr gut und die Population erweist sich auch robust gegenüber Umweltkatastrophen, wie wir sie aufgrund des Klimawandels vermehrt zu erwarten haben. Dank der Förderung durch die Deutsche Postcode Lotterie wird die Population in diesem Jahr wieder kräftig wachsen und so können wir bis etwa 2026 die kritische Größe von 350 Tieren überschreiten.

Das Gespräch führte Nicolas Berthold.

Hier gibt's die kleinen Vögel im Livestream: Zu YouTube

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